Steffen Wippel

Gott, Geld und Staat. Aufstieg und Niedergang der Islamischen Investmentgesellschaften in Ägypten im Spannungsfeld von Ökonomie, Politik und Religion.

LIT-Verlag, Hamburg, Münster 1994, VI + 129 S.


In der ersten Hälfte der 80er Jahre tauchten in Ägypten die sog. "Islamischen Investmentgesellschaften" auf. Sie warben damit, islamischen Vorschriften gemäß zu wirtschaften, und sammelten Einlagen in der Bevölkerung, vielfach bei Gastarbeitern in den arabischen Erdölstaaten, deren Ersparnisse sie über den Schwarzmarkt nach Ägypten transferierten. Auf das angelegte Kapital schütteten sie anstelle der im Islam verbotenen Zinsen hohe "Gewinnbeteiligungen" aus, die weit über den staatlich festgelegten Habenzinssätzen der ägyptischen Banken lagen. 1988 brachen die Investmentgesellschaften zusammen.

Das 1994 erschienene Buch beschreibt den rapiden Aufstieg dieser Gesellschaften. Diese waren wachsenden Angriffe ausgesetzt. Bald entstanden Gerüchte über die zweifelhafte Herkunft der ausgeschütteten Erträge: statt wie angegeben aus einer investiven Anlage der Finanzmittel sollten sie etwa aus internationalen Spekulationsgeschäften mit Gold und Devisen stammen. Mit der Liberalisierung des ägyptischen Devisenmarktes wurde der Schwarzmarkt ausgetrocknet und die Islamischen Investmentgesellschaften begannen, in den Aufkauf und die Gründung von Unternehmen zu investieren. Dabei sollen sie versucht haben, wichtige Sektoren der ägyptischen Wirtschaft zu monopolisieren. Den Einlegern standen keinerlei Mitspracherechte bei der Verwendung ihrer Einlagen zu, die Ersparnisse waren rechtlich nicht abgesichert. Nach langem Zögern entschied sich die Regierung zum Einschreiten und erließ im Juni 1988 gesetzliche Regelungen.

Es zeigte sich nun, daß die hohen Ausschüttungen zum großen Teil auf dem Bau von "Pyramiden" beruhten, d. h. aus den zuströmenden Neueinlagen finanziert wurden. Auch die widersprüchliche Datenlage zu Umfang und Art der Aktivitäten klärte sich. Die Einlagen in Höhe von ca. 4,5 Mrd. ägyptischer Pfund einer halben Million von Sparern machten fast ein Viertel der gesamten privaten Ersparnisse aus. Nur ein geringer Teil wurde wirklich investiert - vorwiegend in Handelsaktivitäten. Umfang und Schwerpunkte der Wirtschaftsaktivitäten der einzelnen Gesellschaften wiesen bedeutende Unterschiede auf. Im Zuge der staatlichen Eingriffe kam es zum rasanten Fall der Investmentgesellschaften. Bei der Auflösung und dem Verkauf der Unternehmen, die noch andauern, kam es zu zahlreichen neuen Skandalen. Auch die seriöseren Unternehmen wurden in den Sog des Niedergangs hineingezogen.

Die Investmentgesellschaften hatten in ihrer Aufstiegsphase die bestehenden ökonomischen Nischen, politischen Strukturen und das Aufkommen der "islamischen Bewegung" geschickt genutzt. Den verschiedenen Ansprüchen konnten sie auf die Dauer nicht gerecht werden. Der Autor beschreibt die Interessenlagen der Einleger, die Konkurrenz und Kooperation des ägyptischen Bankensystems, die Einwirkungsversuche des Staatsapparats und die Beziehungen zu Oppositionsparteien, Medien sowie Vertretern islamischer Aktivisten und Rechtsgelehrten. Im Interessenkonflikt zwischen "Gott, Geld und Staat" zerfielen die Investmentgesellschaften so schnell wie sie entstanden waren. Sie stellen somit ein durchaus typisches Phänomen für die aktuellen wirtschaftlichen und politischen Transformationsprozesse in Ägypten dar. Anstelle einer Rückkehr zu den "wahren ägyptischen Werten" ist indessen die Weiterentwicklung der ägyptischen Reformpolitik gefragt. Dies bedeutet die Schaffung eines geeigneten Ordnungsrahmens und die Herstellung von Rechtssicherheit als Grundlagen für ein Klima generalisierten und beständigen Vertrauens in die Geschäftspartner. Zugleich müssen staatliche Institutionen in ihrer Macht begrenzt werden. Hier hat Ägypten noch eine erhebliche Wegstrecke im Transformationsprozeß vor sich.


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Zur Reihe "Studien zur Volkswirtschaft des Vorderen Orients" beim LIT-Verlag


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